Als ich sie 1999 kennen lernte, fragte ich einen älteren Bruder (das meint ein schon länger in der Gemeinschaft lebendes und erfahrenes Mitglied, d. Übers.) über den Ursprung der Gemeinschaft. Und er erzählte mir eine ähnliche Geschichte, wie sie in der „Apologie“ nachzulesen ist... (Die „Apologie“ ist ein Text von Josef A., um uns gegenüber einem katholischen Priester und „Sekten-Experten“, Herrn Kluge zu verteidigen, der eine anklagende Schrift über die Gemeinschaft veröffentlich hat). Es war „ähnlich“ in der Weise, wie sie der Bruder erzählte: Wir waren zu Beginn einige, die nach der richtigen Kirche suchten und sie nicht fanden und dann die Schlussfolgerung zogen, dass wir die Kirche sind.
Josef beschreibt es in seiner Verteidungsschrift so: „So hofften auch wir im Anfang noch, eine Gemeinde zu finden. Was wir fanden, waren jedoch immer nur einzelne Christen, aber keine Gemeinde. Alle "Konfessionen", ob groß oder klein, denen wir begegnet sind, erhoben ihre eigene Tradition über die Lehre Jesu und der Apostel. Biblisch begründete Kritik wurde zurückgewiesen (am schärfsten von den sogenannten Bibeltreuen). So mussten wir nach einigen Jahren zur Kenntnis nehmen, dass es die Gemeinde der Gläubigen in unserem geographischen Raum nicht gab und dass wir nach Gottes Willen das waren, was wir woanders vergeblich gesucht haben: die Gemeinde Gottes in Wien.“
Zur Zeit meines oben geschilderten Gesprächs war Gottfried Holic, den Herr Kluge „den Gründer der Gruppe“ nennt, noch nicht ausgeschlossen und hatte ziemlich großen Einfluss. So wurde also auch schon bevor sein Einfluss in der Gruppe schwand, die Meinung vertreten, dass er nicht der alleinige Gründer war, sondern dass es Gottes Wille war, sich von den bestehenden Kirchen zu trennen. Allgemein ist es auch in der Gemeinschaft üblich, die Rolle eines Individuums nicht zu sehr zu betonen. Soviel ich weiß, spielte Gottfried Holic jedoch eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft. Und es wird gesagt, dass die, welche ihm näher standen, ihm zuviel erlaubt haben.
Später habe ich gehört, dass sie sich am Anfang nicht in einer Wohnung getroffen haben. Sie gingen zu den Treffen anderer Gemeinschaften, um mit denen zu sprechen, die es wollten, solange bis jeder mit dem letzten Bus oder der U-Bahn nach Hause musste.
Kommentare im Original-Blog:
29.12.2010: Anonymous:
Es ist ein gutes Zeichen für die Gnade Gottes und für die Gemeinschaft. Es ist ein Zeichen der Verantwortung jedes Mitglieds des Körpers in Bezug auf den Gehorsam des einzelnen. Wir können die Verantwortung nicht auf die Gemeinschaft abschieben und dabei nicht den Mangel an Liebe bei uns selbst sehen. An diesem Beispiel kann man eher die Geduld und Langmütigkeit Gottes auf dem Weg sehen, den Er viele von uns führt.
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4.1.11: RA
SCHÖNE WORTE
Ich stimme dir zu, dass nichtsdestotrotz jedes Mitglied der Gemeinschaft großen Einfluss und Verantwortung hat.
Aber da gibt es etwas, wo ich der Meinung von Anonymous nicht zustimmen kann.
Es ist wirklich wunderbar, wenn einige Leute erkennen, dass sie die einzige und wahre Kirche sind und all die anderen Konfessionen falsch liegen. Aber das ist tatsächlich der typische Beginn für viele Arten von Sekten, denn sie sind so auf sich selbst fixiert und meinen, das Aufrechterhalten der reinen Lehre liege allein in ihren Händen. Indem man die Wahrheit auf diese Weise für eine kleine Clique monopolisiert, führt es dazu, dass man die Außenwelt schwarz malt. Deshalb ist die Gemeinschaft auch so ängstlich gegenüber Kritik von Außen.
Anonymous preist die Gemeinschaft, ist aber nicht bereit, irgendeiner Kritik in seinem Posting Recht zu geben. Wir wissen aus Gottfried H.s Verhalten, dass er wirklich kein gutes Zeichen für die Gnade Gottes und die Gemeinschaft war. Geduld und Selbstkontrolle als Frucht des Heiligen Geisters waren in seinem Verhalten gegenüber Außenstehenden (die wir nach den Worten Jesu auch lieben und nicht hassen sollen) nicht zu bemerken.
Ich glaube, die Idee unserer Gemeinschaft von der Gleichheit aller Mitglieder war wirklich sichtbar. Das war uns wichtig. Dennoch gab es Leute mit mehr Einfluss wie Gottfried H., Josef A. usw. Sie waren “Ältere Geschwister“, die „mehr von Gott erkannt“ hätten. Es gab einige Brüder, die andere ermutigten und ermahnten, und einige waren immer nur Empfänger von Ermutigung und Ermahnung. Ich möchte jedenfalls darüber reden, wie Dinge in der Gemeinschaft wirklich WAREN und SIND, und nicht über die Idee, wie die Dinge nach Sicht der Gemeinschaft hätten sein sollen.
Während meiner Zeit in der Gemeinschaft sah ich viele Mitglieder, die während der „Themen“ schliefen. Und ich denke es lag nicht nur daran, dass sie eine lange Nacht während der Fahrt zu den Wochenendtreffen hatten, sondern es lag wohl auch an ihrem geringen Interesse (oder auch dem geringen Wissen) über diese Themen, die sie einschlafen ließ. Ich war selber inaktiv. Manchmal waren die Themen nicht sehr interessant, manchmal hatte ich keinen Mut. Es gab viele Gründe.
Was ich sagen will, ist , dass wir unsere Gleichheit mythologisierten. Wir idealisierten unser Interesse an der Bibel zu sehr. Wir mythologisierten unsere Aktivitäten.
Ich habe oft außerhalb der Gemeinschaft Interesse an der Bibel gesehen, das größer ist als bei manchen Mitgliedern der Gemeinschaft. Nach meiner Einschätzung gab es etwa 20 % der Mitglieder, die im Strom mitschwammen. In Wirklichkeit schwammen sie gegen den Strom, denn sie waren „ermutigt“, aber gegen den Strom zu schwimmen wollten sie nicht, ziemlich entfernt von äußeren Einflüssen. Es ist gut, dass wir gegenüber diesen Mitgliedern Vertrauen zeigten, dass sie sich ändern. Aber ich denke das geschah auch nur teilweise, denn wir wollten von uns das Bild einer Kirche abgeben, wo JEDER engagiert und eifrig ist.
Ich denke, die Lösung liegt nicht darin, die Latte für die Mitgliedschaft höher oder niedriger zu hängen, sondern damit aufzuhören, die Gemeinschaft als die einzig wahre Nachfolgerin Christ zu sehen, die allein weiß, was richtig ist und andere in der Rolle von kleinen Schülern sieht, die keine Ahnung von der Wahrheit haben.
Ich denke, die Gemeinschaft steht an der Schwelle zur Krise. Die Gemeinschaft muss sich selbst gegenüber anderen Ratschlägen ÖFFNEN. Die Ratschläge von anderen zu hören, heißt nicht, dass man mit ihrer Lehre als ganzer übereinstimmen muss. Aber andere Konfessionen, die sicher in ihrer Geschichte auch schlechte Zeiten hatten, können einen Rat geben, wie man aus einer solchen Situation herauskommt. Sie können uns Gutes tun, uns helfen zu existieren und uns nicht zerstören.
Die Gemeinschaft muss ihr Misstrauen anderen gegenüber ablegen. Andere Konfessionen sind nicht Teufel, die nur unsere Gemeinschaft niederringen wollen und die Informationen/Hintergründe über uns missbrauchen. Je mehr wir den anderen misstrauen und sie verachten, umso mehr gerät die Gemeinschaft auf den gleichen Weg.
Ich glaube, wir liebten es, den Ursprung unserer Gemeinschart in der Urkirche (der Kirche des ersten Jahrhunderts) zu sehen. Das ist wohl auch normal, wenn sich eine Kirche selber mit den ersten Christen identifziert.
Nichtsdestotrotz können wir die Geschichte unserer Vereinigung zurückverfolgen, das heißt bis zur Person von Gottfried H. Ich glaube, wir konnten keine Gemeinde-Abstammung vom ersten Jahrhunder bis heute feststellen. Rückblickend gab es für uns vor Gottfried H. keine wahre Kirche.
Man konnte nur die Kontinuität des christlichen Glaubens sehen, der von einigen unbekannten Christen ohne konfessionell bekannte Identität weitergetragen wurde. (Ich denke, wir gestanden es keiner bestimmten Konfession zu, dass sie die wahre Lehre bis zu den 1970er Jahren weitergegeben hätte.)
So müssen wir eingestehen, dass Gottfried H. die einzige sichtbare Gemeinschaft gründete, der zugestanden wurde, dass sie bis in die ersten Jahrhunderte in der Geschichte der Christenheit zurückging.
Aber positiv gedacht: nach dieser Sichtweise ist unsere Gemeinschaft relativ jung. Die eingespielten Lehrinhalte und der Lebensstil sind unverändert, aber so ist es erst seit wenigen Jahrzehnten. Es wäre leichte für uns, diese Dinge zu verändern als z. B. für die Katholiken.
Ich habe die Hoffnung,d ass dieser Zug stoppen wird und die Geschwister sowohl über die Prioritäten nachdenken werden – wie über ihre positiven und negativen Konsequenzen.
Hier endet mein Monolog.
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5.11.11 Anonymous:
Ich meine, dass Gott seine Gnade, Liebe und Langmut gerade darin zeigt, auf welche Art einige von uns, eingeschlossen Gottfried H., trotz ihrer schweren Sünden, durch die Gemeinschaft, die Kirche Christi, herausgebracht wurden.
An RA:
Es ist schade, dass du unter uns warst und den Grund unseres Lebensstils nicht verstanden hast sowie das, was Du „Dogma“ nennst.
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9.1.11 RA schreibt:
Ich bin sehr dankbar, dass Du mir enthüllt hast, wie die Gemeinschaft das „sich in Begierde verzehren“ in 1 Kor 9,9 versteht (im Posting „Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren“).
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