Donnerstag, 3. Februar 2011

Die guten und die schlechten Seiten der Gemeinschaft

22. 1. 2011

Um etwas Ausgewogenheit zu schaffen, möchte ich einmal auflisten, was
gut und was schlecht an der Gemeinschaft war.
Gut war:
- Jeder war zum Mitwirken eingeladen und wurde dazu ermutigt – indem man lehrte, dass JEDER Christ berufen ist, Gott und den Menschen zu dienen und nicht nur die Kleriker
- das
Bibelstudium, das Wissen um die rechte Lehre, das als wertvoll angesehen und ausgeübt wurde (aber in einige Detailfragen zu strikt und zu fordernd für die geistlich Schwachen)
-
häufige Treffen, um sich zu stärken, ermutigen/ermahnen und einander zu dienen, das Leben zu teilen (aber zu Lasten aller anderen Beziehungen)
-
Beziehungen, Liebe gegenüber jedem Bruder/Schwester, die den gleichen Weg ging. Beziehungen wurde zu jedem Bruder aufgebaut, nicht nur zu den sympathischen
- zur
Mission wurde ermutigt und sie wurde praktiziert (der Inhalt der Botschaft war nicht immer in Ordnung: auf die Gemeinschaft statt auf Jesus zentriert)
-
Hingabe des ganzen Lebens (aber manchmal recht extrem)
-
Disziplin, Balance zwischen Leiblichem und Geistlichem: tägliche Spaziergänge, Ruhepausen nach der Arbeit / vor der Gemeinschaftszeit (nur zu uniform, für alle das gleiche)
...

Schlecht war
:
- das
Vergällen von persönlicher (privater) Zeit. Man wurde zu sehr voneinander abhängig gemacht als von Gott. (Ich meine, dass es als schlecht angesehen wurde, wenn jemand sich nicht bei den gemeinsamen Aktivitäten beteiligte, sondern allein sein wollte).
- dass
unser Lebensstil als der für Christen einzig mögliche hingestellt wurde. Tägliche Treffen und häufige Reisen sind in ärmeren Ländern und für Familien mit kleinen Kindern nicht erschwinglich. Und einige haben besondere Aufgaben für bestimmte Gruppen zu erfüllen (Senioren, Waisen, Obdachlose, Süchtige, Arme, Gefangene usw.) usw.
- extreme, lieblose, abhängig-machende
Abgrenzung/Trennung von allen Außenstehenden, einschließlich der eigenen Familie. So können diese nicht unsere Liebe erfahren.
-
zu ermüdende Tagesabläufe. Da gab es jedoch Veränderungen zum Guten: die Spaziergänge wurden kürzer, die Themen auf den Wochenendtreffen wurden nicht mehr in der Nacht behandelt usw.
-
Aktivitäten als der Hauptmaßstab für das eigene Bemühen, körperliche Schwäche wurde manchmal mit fehlendem Willen (wörtl.: mangelndem Bemühen) gleichgesetzt.

Gute Theorie, aber schlechte Umsetzung:

-
keine Hierarchie, „alle sind Brüder“aber dann die besondere Position von Gottfried H. (ich stütze mich dabei vor allem auf das Zeugnis anderer, ich selber habe ihn persönlich kaum kennen gelernt)
- die
theoretische Erlaubnis zur Ehe (Die Theorie über die Ehe ist vermutlich wegen der fehlenden praktischen Erfahrung mangelhaft) - aber in der Praxis war es dann verboten eine Ehe zu schließen –> was das Joch für einige zu hart machte und zur Heuchelei führte
- in der Apologie wurde geschrieben, dass
wir offen seien – aber in Wirklichkeit verschlossen wir uns berechtigter Kritik und waren nicht bereit, von Außenstehenden zu lernen.
- der gemeinsame
Kampf um Heiligung – aber manchmal beschäftigten wir uns zu sehr mit Sünden, erklärten zu viele Dinge gleich zur Sünde, vertrauten nicht genug auf die Selbsteinschätzung des einzelnen und auf Gottes Wirken im anderen.

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Kommentare:

23.1.2011 R. A.

Ja, auch ich empfinde es als positiv, dass wir keine geistlichen Funktionäre hatten. Die Verantwortlichkeit (auch die geistliche) war angenehm breit verteilt. Eigentlich FUNKTIONIERTE unsere Gemeinschaft auf ihre eigene Weise.

Verschiedene Kirchenführer, mit denen ich darüber sprach, wollten mir nicht glauben, dass jeder aktiv werden kann, wenn es keinen Chef an der Spitze gibt.

Gottfried H.s Ausschluss schuf einen Präzedenzfall, dass sich dort niemand als der „große Führer“ gemütlich machen kann. Er wird früher oder später entthront werden.

Aber das bedeutet nicht, dass es nicht doch Leute gibt, die faktisch geistliche Leiter sind, zu denen die anderen aufschauen. Ich selber habe in der Gemeinschaft oft das Argument gehört: „Aber Josef hat gesagt...“ Und wenn ich in einem solchen Fall etwas ironisch lächelte, wurde das als schlechte Einstellung getadelt. Josef ist „ein älterer Geschwister“ und muss deshalb mit Respekt behandelt werden.

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23.1.2011; R.A.

Ich erinnere mich an einen Fall in Ungarn, in KB, als eine Schwester voller Bewunderung sagte: „Es ist doch ein Glück, dass Josef kein Kardinal geworden ist!“

Ja, es war wirklich schwer, sich Josef als katholischen Kardinal vorzustellen, dachte ich damals. Denn er kämpfte sich in diesem Augenblick gerade mühsam das Seil hinauf, das von der Decke hing.


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Kommentare:

25.1.2011 R.A.

Vielleicht ist meine Einstellung nicht gut, weil ich diese Dinge zu kritisch sehe.

Aber ich denke, Gott will nicht, dass wir uns durch das ständige tiefe Bereuen und die Angst vor schweren Sünden selbst quälen (was wahrscheinlich unsere Gemeinschaft erwartet).

Ich habe auch außerhalb der Gemeinschaft Menschen kennen gelernt, die gern ihre Sünden enthüllen und bezeugen, dass sie nun endgültig von Sünden frei seien! Und etwas später sah ich, wie sie wieder anfingen, dass sie so schwer gesündigt hätten, und jetzt endgültig davon frei seien. usw. usw.

Ich habe starke Zweifel, ob dieses ständige Gehen im Kreis wirklich der Kampf um ein heiligmäßiges Leben ist, das Gott von uns erwartet. Es macht wohl eher Leute verrückt als dass es sie zu Gott führt.

Ich würde den Ausgeschlossenen empfehlen, Mt 5, 38-48 und 1 Kor 13 zu lesen :-))

Denn ich habe erfahren, das mir diese Bibelstellen eine Menge geholfen haben. Dort werden nicht nur Verhaltensweisen oder äußere Formen von Gottes Liebe beschrieben, sondern diese Bibelstellen zeigen das zentrale Konzept von Gottes Liebe, nämlich VERGEBUNG. Dort sind die Zeichen geschildert, dass du vergeben kannst. Und wenn du vergeben kannst, dann wird Gott auch dir vergeben.

Was immer ich an Kritik geschrieben habe, vergebt mir. Lasst uns Frieden schließen ... Und ich ersehne wirklich den glücklichen Tag, an dem ich alle meine Freunde und Feinde treffen kann, um gemeinsam mit ihnen Tee zu trinken und zu diskutieren, wie wir uns untereinander versöhnen können, wie wir einander lieben können.

Josef A., Gerald K., und alle die „Anonymous“-Leute, die hier posten. Ihr seid willkommen in meinem Haus. Aber ich möchte Euch meine Adresse liebe persönlich per Mail geben. Meine Mailadresse findet ihr auf meiner Homepage.

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27.1.2011: Jose:

Hallo, mich würde interessieren, wie du zur Zeit Gottes Gnade empfindest. Was denkst du darüber jetzt?

Zum Thema schwere Sünden: ich denke, wir sollten sie vermeiden, aber immer im Kopf behalten, dass es Gott vor allem um das Herz und nicht um das äußere Verhalten geht. Schwere Sünden sind bloß das äußere Erscheinungsbild eines schwachen Herzens. Sie sind kein Grund zum Sich-selbst-Verbessern, sondern sollten Anlass sein, sich ehrlich Gott zu zu wenden im Wissen, dass er uns liebt, egal was geschehen ist und dass es für die, welche in Jesus Christus sind, keine Verdammnis gibt (Röm 8, 1).

Das Problem liegt meiner Meinung nach oft darin, dass wir wenn wir sündigen, uns selbst durch das Fleisch zu verändern versuchen, anstatt offenherzig zu Gott zu gehen und den Geist seine sanfte reinigende Arbeit in unseren Herzen tun zu lassen. Das alles zusammen gedacht: Gott liebt und vergibt uns, was wir auch tun. Seine Gnade reicht für uns alle.

Gott segne euch. Ich habe einen Verwandten, der gerade selbst in dieser Gruppe ist. Deswegen fand ich auch deinen Blog.

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28.1.2011 R.A.

Ich erinnere mich nicht, ob ich sehr über Gottes Gnade NACHGEDACHT habe. Natürlich, ich erinnere mich an verschiedene Diskussionsthemen, wo es um die Gnade Gottes ging.

Aber in mir wuchs eher ein starkes GEFÜHL, dass Gottes Gnade mir wichtiger war, bevor ich begann, mit der Gemeinschaft dahinzujagen (1 Kor 9, 24-27). Gottes Gnade wurde für mich Schritt für Schritt immer gleichwertiger mit der Gnade der Gemeinschaft. Das Christsein war praktisch auf die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft begrenzt. (Ich denke, es klingt sogar jetzt für mich recht logisch, wenn jemand versucht, die Gemeinschaft mit der einzig wahren Kirche gleich zu setzen.)

Was ich vor allem sagen will ist, wie „zerbrechlich“ die Gnade Gottes war, wenn man die häufigen Ausschlüssen sieht. Sie bestimmten immer mehr mein Verständnis von Gottes Gnade. Sie wurde für mich immer mehr mit Bedingungen angefüllt, die ich nicht verstehen konnte. Denn in der Gemeinschaft gab es einige Ausschlüsse, die für mich irrational waren.

Und JETZT – Ich bin gerade so fasziniert von den Bibelstellen Mt 5, 38-48 und 1 Kor 13, dass ich kaum Worte finde ... Einiges dazu habe ich in meiner Webseite beschrieben (http://sites.google.com/site/holicgroup/)

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28.1.2011 L (Blogautorin):

Zur Frage der Gnade siehe das nächste Posting

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31.1.2011 Jose:

an R.A.

Um auf deinen Kommentar über die Gnade Gottes in der Gemeinschaft zurück zu kommen: Das Verständnis ist sehr ähnlich dem in der röm.-kath. Kirche. Die Gnade gibt es nur in der einen wahren Kirche, was auf die Gemeinschaft übertragen heißt: nur in der Gemeinschaft. Also gibt es keine echte Gnade außerhalb der Gemeinschaft? Das ist ähnlich dem, was die Kath. Kirche lehrt. Zumindest lehrte sie es in der Vergangenheit.

Von der Bibel her betrachtet, erscheint es mir sinnvoller zu sagen, dass Gottes Gnade frei ist (Eph 2, 8-9). Wenn man also Gottes Gnade mit Bedingungen verknüpft, zerstört man das Evangelium und predigt ein anderes. Das meine zumindest ich. Auch wenn die Hl. Schrift diese Sichtweise recht gut unterstützt, weiß ich doch, dass mir die meisten Leute da nicht zustimmen werden.

Dennoch kann nur die Gnade die Christenheit vereinen. Wenn man deshalb die Gnade auf biblischer Grundlage verstanden hat, hat man die wichtigste Sache in diesem Leben verstanden.

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31.1.2011 R.A.

Ja, das stimmt. Ich möchte ehrlich sagen, was ich jetzt über Gnade DENKE. Oder ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll ... Ich möchte nicht behaupten, dass das, was ich denke, richtig sein muss, aber ich möchte sagen, welches DENKEN in mir gerade vorherrscht oder was ich zur Zeit gerade FÜHLE.

a

Sagen wir es so: Auch wenn die Denkweise der Gemeinschaft über die Gnade in mir noch sehr verbreitet ist, weiß ich dennoch, dass ich viele Fragen neu durchdenken muss. Mein Denken wurde durch die Gemeinschaft „formatiert“.

Es hört sich für mich stimmig an, dass Gottes Gnade frei ist, wie du sagst. Aber was bedeutet das? Ich muss darauf eine Antwort finden.

Mein Verstand ist also gerade „im Umbau“. Ich muss logische, begründete Antworten auf viele Fragen finden, die sich mir früher nicht stellten, denn in der Gemeinschaft wurden viele Dinge nicht hinterfragt.

Nach dem Ausschluss musste ich vieles „außerhalb des Käfigs“ lernen, in Themenbereichen, welche in der Gemeinschaft vermieden wurden oder welche die Gemeinschaft gern sehr vereinfacht hat, um diese Dinge leichter handhaben und widerlegen zu können. Und eine dieser Fragen ist die Gnade.

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31.1.2011 R.A.

Mit anderen Worten: Mein Verstand sagt mir, dass Gottes Gnade viel mehr sein muss, als was ich in der Gemeinschaft wahrgenommen habe. Aber was bedeutet das jetzt? Das ist für mich eine Frage. Ich muss der Antwort bis zu ihren Wurzeln verfolgen. Aber ich fürchte mich nicht, es neu zu durchdenken. Nach dem Ausschluss fühle ich mich eher wie ein Erforscher der Welt. Erst kürzlich habe ich für mich die Bibelstellen Mt 5, 38-48 und 1 Kor 13 entdeckt und sie haben mich enorm bestärkt. Ich fühle, dass diese Stellen ein Schlüssel für mich sind, um auch andere Fragen zu entwirren, einschließlich der Frage nach der Gnade Gottes. Ich möchte mir deshalb jetzt nicht gleich alle guten und fertig ausgearbeiteten Ideen über die Gnade vornehmen.

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